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Estland

Estlands »Sommerhauptstadt Pärnu«

Die Hansestadt »Pärnu« (rund 50 000 Einwohner/innen) an der Mündung des gleichnamigen Flusses wird auch als »Sommerhauptstadt Estlands« bezeichnet. Die bezaubernde kleine Altstadt mit einigen sehenswerten Kirchen, dem »Roten Turm«, der »Villa Ammende« und dem »Tallinner Tor«, liegt auf einer Landzunge zwischen dem Meer und dem Fluss. Der breite Sandstrand direkt vor der Tür, die zahlreichen Parks, Alleen, Restaurants und Cafés locken heute Kurgäste aus dem ganzen Land an. Besonders die Finnen kommen gerne hierher. Unser Lagerplatz liegt etwa 10km außerhalb und so radeln wir abends schon mal in die Stadt hinein. Ein kurzer Rundgang durch das Zentrum und dann zum Essen in´s »Sweet Rosie«, ein Irish Pub. Das lokale Bier ist köstlich, die Speisen auch. Direkt neben uns setzen sich zwei Schwaben und bestellen Paulaner Weißbier. Ja, klein ist die Welt. Der nächste Tag ist windig und durchwachsen. Ohne richtige Agenda bewegen wir uns kreuz und quer durch das Städtchen. Parks, Strand, Sehenswürdigkeiten, Museum der modernen Kunst. Irgendwann entschließen wir uns für einen Einkehrschwung in einem Lokal. Das »BUM BUM« scheint gut zu passen. Nachdem im Biergarten keine Bedienung aufkreuzt, gehen wir schließlich hinein. Es ist schwer zu sagen, ob es total kitschig oder schon leicht kultig ist. Ein grellbunter Mix aus den verschiedensten Gegenständen, LED-Lichterketten, Discokugel, dutzende schrille Polster, ein paar TVs auf denen Eurosport läuft, eine Musikbox. Drinnen erwartet uns eine weitere Kuriosität. Eine Handvoll Jugendlicher, die offensichtlich ein Praktikum in der Gastronomie machen, stehen unbeholfen herum und überlegen, ob sie uns vielleicht bedienen sollen. Die Körpersprache verrät sofort, dass sie ihren Traumberuf noch nicht gefunden haben. Der Mutigste kommt irgendwann zu uns an den Tisch und nimmt die Bestellung auf. Für das Essen gibt es von uns einen Stern. Der ist für den freundlichen 15-Jährigen, der sich wirklich Mühe gibt. Auf der Heimfahrt machen wir noch auf dem städtischen Friedhof Halt und schauen uns ein wenig um. Das Ambiente dort passt hervorragend zum Eindruck des ganzen Landes. Viel Grün, Farne, Bäume, Hecken.

Die Sache mit dem Friseur…

Ich (Claudia) versuche bereits seit zwei Wochen, einen adäquaten Friseur zu finden, der mein Vertrauen genießt. Eine Farbauffrischung würde mir sehr guttun. Die Sache erweist sich als relativ kompliziert. Auf dem Land gibt es nichts und in den paar wenigen Städten bekommt man spontan keinen Termin. Extra länger in einer Stadt bleiben wollen wir auch nicht, denn es zieht uns eher in die Weite der Natur. Doch ich habe Glück: ich finde einen "Wald- und Wiesenfriseur", der sein Handwerk versteht. Ich glaube, es liegt in der Familie…

Auf die Insel »Muhu«

Ein deutsches Ehepaar auf dem Campinggelände macht uns darauf aufmerksam, dass man Fährfahrten auf die estnischen Inseln unbedingt vorher im Internet buchen muss. Gut, wenn das so ist, dann machen wir das eben. Am Tag darauf fahren wir weiter zum Fährhafen nach »Virtsu«. Wir sind weit vor unserer gebuchten Abfahrtszeit da und fragen am Schalter, ob man auch eine frühere Fähre nehmen könnte. Kein Problem! Einfach Spur Nummer vier und rauf geht´s. Wir haben Glück, denn wir sind das letzte Fahrzeug, dann schließt die Klappe. Die übertriebene Panikmache mit dem online-Ticket erweist sich als völlig unbegründet. Nach einer halbstündigen Überfahrt erreichen wir die kleine Insel »Muhu«. Wir entscheiden uns für einen Campingplatz an einem kleinen Hafen. Eine Nacht ist ok, doch länger wollen wir dort nicht bleiben. Es gibt keine adäquaten sanitären Einrichtungen und insgesamt ist es uns auch zu voll und geschäftig dort. Am Abend radeln wir noch schnell in den nächsten Ort, finden tatsächlich einen netten Biergarten und kehren gemütlich ein.

Mittsommer auf »Saaremaa«

Die Camping-Betreiberin in »Pärnu« hat uns einen Tipp gegeben: Mittsommer verbringt man am besten auf der Insel »Saaremaa«. Viele Esten fahren traditionell vom Festland dorthin, um diesen besonderen Feiertag zu begehen. Das Angebot nehmen wir doch gerne an. Diesmal brauchen wir keine Fähre, denn von der kleinen Insel »Muhu« führt ein Steg hinüber auf die größere Schwesterinsel. Der Campingplatz ganz im Westen des Eilandes ist sehr schön gelegen und das Besitzerehepaar ist ausgesprochen freundlich. Man fühlt sich wie ein »VIP«. Am Abend des 23. Juni ist es dann soweit: Mittsommerfest (Jaanipäev) am Vorabend des Johannistages. Es ist, so erfahren wir, neben Weihnachten das wichtigste Fest. Überall im Land werden »Jaanifeuer« entzündet, vornehmlich am Strand. Die Feierlichkeiten finden meist im privaten Rahmen statt. Irgendjemand hat es sehr poetisch ausgedrückt: Wenn der Tag in die Nacht hineinreicht und kaum Dunkelheit aufkommt, ist der ideale Zeitpunkt für ein Eintauchen in die Geheimnisse der Natur.

Auf unserem Campingplatz wird gegen 22:00Uhr ein ebensolches Feuer entzündet. Die abendliche und nächtliche Atmosphäre unterstreicht wieder einmal unsere bisherigen Eindrücke des Landes: entspannt, ruhig, ungezwungen, familiär. Die Gäste aus verschiedenen Ländern bringen ihre eigenen Getränke mit, sitzen gemütlich um das große Feuer und plaudern nach Lust und Laune. Über eine kleine Musikbox läuft angenehme Hintergrundmusik. Ein Gast aus Mecklenburg jongliert mit leuchtenden Kugeln und die Gastwirte spendieren Muffins und Melonenscheiben. Das Ganze hat etwas Feierliches. Wir bleiben lange sitzen und tauschen uns angeregt aus. Richtig dunkel wird es nie. Auch an den kommenden Tagen wird noch gefeiert. Auf dem nächsten Stellplatz werden wir wieder zu einer privaten Grillparty eingeladen. Natürlich nehmen wir das Angebot gerne an. Vielen Dank!

»Die Entdeckung der Langsamkeit«

Wem es zu Hause zu stressig und zu hektisch ist, dem empfehlen wir eine Reise ins Baltikum. Hier erleben wir eine neue Dimension von Entschleunigung. Die Länder sind vergleichsweise dünn besiedelt und große Attraktionen sucht man vergebens. Der Zauber liegt eindeutig in der unberührten Natur. Scheinbar endlose Wälder, Flüsse, Seen und einzigartige Küstenregionen. Ein Paradies für Angler und Vogelliebhaber. Wir erleben hier alles verlangsamt, irgendwie auf das Wesentliche reduziert und es herrscht eine angenehme Ruhe. Wir machen ausgedehnte Fahrradtouren, wandern am Strand entlang oder lassen uns von der Sonne bescheinen. Die Stellplätze sind ruhig. Da und dort haben sich einheimische Familien in den Sommerhäuschen eingerichtet und genießen das für dortige Verhältnisse warme Wetter. Es wird gegrillt, geangelt oder eine Runde mit dem Ruderboot gedreht. Überall auf dem Weg sehen wir die braunen Hinweisschilder von Sehenswürdigkeiten. Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es für uns meist sehr unspektakuläre Objekte sind: ein großer Findling, eine dicke Eiche, ein Beton-Monument aus der Sowjet Zeit, eine Kirchenruine. Alles sehr beschaulich…

Die Sache mit dem Brot…

In den Geschäften und Supermärkten des Baltikums finden wir nur schwerlich frisches Brot. Fast alles ist bereits genschnitten und in Plastik verpackt. Meist von toastähnlicher, weicher Konsistenz. Auch das typische schwarze Brot findet man in den Regalen. Bäckereien gibt es nur vereinzelt in den größeren Städten. Auf dem Land gibt es scheinbar einfach zu wenig Kundschaft für ein täglich frisches Brotsortiment. Als hätte jemand unseren Wunschzettel gefunden, finden wir irgendwann am Straßenrand im Vorgarten eine Schubkarre mit frischgebackenem Brot. Es ist noch warm und schmeckt wunderbar…

»Tallinn«

Die Hauptstadt »Tallinn« am Finnischen Meerbusen (430 000 Einwohner/innen) ist das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum des Landes. Überdies das beste Museum des Baltikums. Laut WHO gehört Tallinn zu den saubersten Hauptstädten der Welt. Die Altstadt wurde 1997 in die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes aufgenommen. Schon als wir die Stadt nach einer halbstündigen Fahrt mit dem Zug erreichen, weht uns ein internationales Flair entgegen. Man hört die verschiedensten Sprachen und Reisegruppen aus aller Welt bestaunen die prächtige Altstadt mit ihrer mittelalterlichen Architektur. Auch große Kreuzfahrtschiffe legen hier an. Es ist ein brütend heißer Tag und so bewegen wir uns, mit Wasserflaschen und Sonnenhüten ausgestattet, nur sehr gemächlich durch das Zentrum. Wir verbringen einige Zeit in der großen Markthalle. Hier ist es kühler und die vielen kleinen Antiquitäten- Krims-Krams- und Secondhandläden machen gute Laune. Wir marschieren auf den Domberg und genießen den tollen Blick auf das historische Zentrum. Da und dort schauen wir uns eine Kirche an, suchen uns zwischendurch ein schattiges Bänkchen in einem der Parks und flanieren über den historischen Marktplatz. Zwei Orte sind besonders einprägsam. Anlässlich der Olympischen Spiele 1980 wurde von Moskau am Hafen von Tallinn »Linnahall« gebaut. Einst hieß das Gelände »Lenin-Palast für Kultur und Sport«. Es umfasst ein Amphitheater mit 5000 Plätzen, eine Eishalle und einen Segelhafen für Regatten. Heute verfällt dieses Monstrum aus Beton und die einzigen, die daran noch Freude haben, sind die Graffiti-Künstler. Irgendwie unheimlich. Ein zweiter Ort, der aufrüttelt und uns sofort ins Auge sticht, ist die »Russische Botschaft«. Die Menschen von Tallinn haben dort entlang eines Metallzaunes ihren Protest und die Ablehnung des Ukraine-Krieges auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht: mit roter Farbe besprühte Stofftiere, Transparente, schriftliche Appelle, Karikaturen usw. Beklemmend! Überhaupt wehen im gesamten Baltikum an sehr vielen Gebäuden ukrainische Flaggen als Zeichen der Solidarität.

Unsere Reise durch das zauberhafte Baltikum neigt sich dem Ende zu und wir sehen bereits wehmütig zurück. Demnächst geht die Fähre nach Stockholm/Schweden.

Estnisch für Anfänger…

Hier in Estland fällt es uns nicht allzu schwer, die Wörter zu entschlüsseln, da »Estnisch« dem Deutschen ja sehr ähnlich ist. Hier wieder ein kleines Wörterrätsel. Wer es errät – natürlich ohne zu schummeln - der bekommt von uns einen »Kvass«. Das ist ein süßer, fermentierter Brottrunk – eine estnische Spezialität! Zum Wohl!

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